Ägypten, das Virus und der Tourismus

Krisen ist man in Ägypten schon gewohnt. Nach diversen Anschlägen, Revolutionen  und Aufständen hat sich das Land immer wieder berappelt. Die Ägypter stehen nach jedem Rückschlag auf, erfinden sich ein Stück weit neu und machen weiter.  Der Tourismus spielt eine extrem wichtige Rolle, gerade am Roten Meer sind die Reisenden und auch die Taucher aus Europa und der Welt essentiell für die Wirtschaft.

Die Tourismusbetriebe sind dort das Rückgrat der Wirtschaft und die Taucher sind ein ganz wichtiger Teil davon. Nach den Wirren des arabischen Frühlings herrschte bei den Touristen generell eine allgemeine Unsicherheit in Bezug auf die Länder im Nahen Osten oder Nordafrika. Aber Ägypten erlebte ein Come Back und wir Taucher waren ja in den letzten Jahren nie so richtig weg.

Ägypten_Hurghada_El Gouna-

Dennoch sollte 2019 wieder ein Rekordjahr für das Land am Nil werden. Diverse Quellen (welt.de, de.statista.com) sprachen von 8,5 bis 10 Millionen Touristen, die im Jahre 2019 zu erwarten seien. Der Aufschwung war greifbar. Und nun sind wieder alle Träume zerplatzt. COVID hat mein Lieblingsland Ägypten knallhart getroffen.

Wie ist die aktuelle Lage?

Momentan (Stand Oktober 2020) haben die meisten europäischen Länder für Ägypten eine Reisewarnung ausgesprochen, wobei auch schon vorher Teilreisewarnungen aktiv waren. Die Ausbreitung des Virus kann nur geschätzt werden, da es keine zuverlässigen Zahlen aus Ägypten gibt, bzw. die verbreiteten Zahlen wahrscheinlich viel zu niedrig angesetzt sind. Da sich die aktuellen Maßnahmen jederzeit ändern können, möchte ich hier auch gar nicht ins Detail gehen. Ein Großteil der Hotels ist geschlossen, ebenso die Tauchbasen. Andere haben es geschafft, eröffnen zu können.

Die ägyptische Regierung hat den Hotels Auflagen zum Schutz der Gäste und Angestellten vorgegeben. Wer die Audits besteht, darf also eröffnen. Dennoch bleiben die Gäste zum großen Teil aus, da die Anreise für viele Europäer nur mit Umweg über Istanbul oder Kairo machbar ist. Dazu muss bei der Einreise nach Ägypten und bei der Einreise in das Heimatland ein negativer COVID – Test vorgezeigt werden. Dieses bedeutet im besten Fall zusätzliche Kosten, im schlechtesten Quarantäne. Trotz dieser Schwierigkeiten machen sich die ersten tapferen Taucherlein wieder auf den Weg an das Rote Meer. Ob das klug ist oder nicht, muss bitte jeder selber entscheiden. Wer fährt, sollte einfach nur vorsichtig sein und nach der Rückkehr vielleicht etwas Abstand zu Mitmenschen halten.

Wie überleben die Menschen vor Ort?

Wie auch in den vorherigen Krisen, sind die Ägyptern mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Aus meinen Freundeskreise dort weiß ich, dass der Staat kein Arbeitslosengeld zahlt. Die Arbeitnehmer sind auf den good will der Arbeitgeber angewiesen, auch weiterhin etwas Lohn zu erhalten. Oft ist das natürlich nur ein Bruchteil der ohnehin schon niedrigen Löhne. Andere bekommen gar nichts und werden von den Arbeitgebern entlassen. Viele Ägypter wohnen am Roten Meer auf dem Gelände der Hotels und verlieren ihre Unterkünfte.

Kairo_Ägypten_City, Nil, Pyramiden

Sie sind auf ihre Familien in ihren Heimatstädten angwiesen, um dort unterzukommen. Viele Tauchbasen, deren Angestellte und Familien haben tatsächlich kein Einkommen. Es kommt kein Geld rein, die Ausgaben für Miete, Essen und andere Notwendigkeiten bleiben aber bestehen. Wie genau die Menschen überleben, ist mir ein Rätsel. Aber das war in jeder Krise so und ich hoffe, dass sie sich auch diesmal wieder erholen und weitermachen.

Wie sieht die Zukunft aus?

Die Lage in Ägypten ist das eine, da kann ich nur spekulieren. Wie auch in Europa weiß niemand, die sich die Lage entwickelt. Ob das Virus sich weiter ausbreitet, wie viele Opfer es fordert und wie die Regierung reagiert. Dazu ist das Land abhängig von den Reisewarnungen der europäischen Länder. Welche Länder setzten Ägypten auf die Rote Liste? Aus welchen Ländern gibt es direkte Flüge, was kosten diese und sind die Reisenden bereit, zu fliegen? Muss ein Test vorgewiesen werden oder müssen die Reisenden nach der Rückkehr trotzdem in Quarantäne, auch wenn der Test positiv war? Es sind so viele Unbekannte, die nicht zu beantworten sind. Aber was wünschen sich die Menschen vor Ort? Was machen sie, um diese Krise zu überstehen und wie sehen sie die Zukunft?

Copyright: Sarah O‘ Gorman

Sarah O’Gorman von Red Sea Diving Safari, Marsa Alam, sagt: “ Zum Glück liegt der Fokus meines Arbeitgebers bei der Erhaltung der Arbeitsplätze. Ich bin einer der wenigen, die ihren Job behalten konnten. Wir arbeiten hart, um unsere Eco Lodge zu erhalten. Gott sei Dank haben wir unsere ägyptischen Stammgäste sowie Expats, die weiterhin zu uns kommen. Was die Zukunft bringt, ist für uns nicht vorhersehbar. Wir bleiben aufmerksam und flexibel, um uns auf neue Gegebenheiten sofort einstellen zu können. Wir hoffen auf die Zukunft und werden unsere Gäste mit offenen Armen empfangen. Wer sich momentan auf die Reise macht, kann sich auf sehr ruhige Tage bei uns einstellen.“.

Als großer Ägypten-Fan wünsche ich mir, bald wieder in dieses wunderbare Land reisen zu können. Ich vermisse die Gastfreundschaft, die tollen Tauchgänge und das Gewusel in Kairo. Ich vermisse meine Freunde. Gerade für sie hoffe ich, dass es bald wieder aufwärts geht, dass Ägypten auch diese Krise übersteht und meistert. Vielleicht bringen diese unruhigen Zeiten auch Chance, aber momentan geht es für viele Ägypter und auch Ausländer dort um das nackte Überleben.

About the Author: Bettina Winert

Mutter von 3 Kindern, im Exil in Wien lebend. Autorin, Taucherin und begeisterte Gärtnerin.

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