Interview mit Dr. Lee Spence, Experte für Wracksuche, Bergung und Schatzsuche
Dr. Lee Spence ist eine Koryphäe. Ein anerkannter Experte für Wracksuche, Wrackbergung und maritime Geschichte. Schon früh hat er seine Leidenschaft für Geschichte, Schatzsuche und Wracks entdeckt und diese zu seinem Beruf gemacht. Lee hat meine Fragen per Mail beantwortet. Alle Fotos sind sein Eigentum und wurden mir für diesen Artikel von Lee zur Verfügung gestellt.
In München im Jahre 1947 geboren, wuchs Lee in den USA auf und ist heute ein international anerkannter Experte für Schiffswracks und Schatzsuche. Er hat einen der ersten Doktortitel in Marinegeschichte in 1972 erhalten und gilt als einer der Gründerväter der Unterwasserarchäologie. Lee hat über zwei Dutzend Bücher veröffentlicht, schreibt für viele Tauchmagazine, hat Karten von Wracks veröffentlicht und Tauchplätze kartographiert.
Er ist der Gründer und Eigentümer des Portals Shipwrecks.com und einer der Gründer des International Diving Institute, einer Schule für Berufstaucher. Er ist auch Präsident der Sea Research Society mit über 20.000 Mitgliedern.
Dieses Interview wurde per Email geführt.
Erzähl uns ein wenig was über Dich. Wer bist Du, was machst Du, wie bist Du zu Deinem Job gekommen?
Zunächst glaube ich an meine eigenen Träume und verfolge diese hartnäckig. Ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten, bin fast furchtlos und gebe nicht auf. Diese Eigenschaften sind wichtig in der Wracksuche und Wrackbergung, denn es ist der gefährlichste Job der Welt.
Als Kind habe ich Bücher gelesen, die meine Phantasie beflügelt haben. Die Schatzinsel, Robinson Crusoe und Die Schweigende Welt von Cousteau haben mich inspiriert. Ich habe über die großen Entdecker und Archäologen gelesen, sie haben meine Träume größer werden lassen. Ich wollte so sein wie sie. Ich wollte Schätze finden und bedeutende Entdeckungen machen. Die Meere schienen noch unerforscht zu sein, daher konzentrierte ich all meine Anstrengungen auf die Meere.
Ich hatte das große Glück, Wracks als archäologische Fundstätten zu sehen und zu erkennen. Mit 13 Jahren begann ich zu schreiben und teilte meine Erkenntnisse mit berühmten Historikern wie Mendel Peterson (Smithsonian) und Luis Morden von der National Geographic Society. Sie hatten keine Ahnung, wie jung ich war und dachten schnell, ich sei ein Kollege. Ich half ihnen mit Antworten und Entdeckungen, wir halfen uns gegenseitig. Bis wir uns zum ersten Mal trafen, hatte ich größere Funde gemacht als sie selbst. Im Jahre 1965 entdeckte ich fünf Wracks von Blockadebrechern aus dem amerkanischen Bürgerkrieg und wurde in einem Artikel der New York Times erwähnt. So begann meine Karriere.
Du hast im Alter von 12 Deine erste Taucherausrüstung selber gebaut. Was hast Du da genau gemacht?
Ich habe einen 20 Liter-Militärkanister verwendet, den ich mit einer Luftblase gefüllt habe. Die Luftblase habe ich aus alten Autoreifen gebastelt. In den Kanister habe ich Löcher geschnitten, sodass das Wasser die Luft rauspressen konnte. Ich habe den Kanister mit Riemen auf meinen Rücken geschnallt. Im Mund hatte ich einen Schlauch mit einem kleinen Ventil, das ich zwischen meinen Zähnen gehalten habe. Um zu atmen musste ich mit meiner Zunge einen kleinen Hebel betätigen. Bei meinem ersten Tauchgang wäre ich fast ertrunken, da mit der Luft Wasser durch den Schlauch kam. Nach einigen Jahren konnte ich mir dann eine echte Ausrüstung leisten.
Was hast Du gespürt, als Du zum ersten Mal abgetaucht bist?
Ich fühlte mich, als würde ich das großartigste Abenteuer auf diesem Planeten erleben. Nun, ein halbes Jahrhundert später, fühle ich mich immer noch so.
Was motiviert Dich, Wracks zu heben?
Es ist nicht das Geld, sondern die Liebe zur Geschichte. Aber auch der Kick, eine Entdeckung zu machen und das Bedürfnis, dafür in Erinnerung zu bleiben .
Welches war das erste Wrack, dass Du entdeckt hast?
Mein erstes Wrack war ein Flussboot in dem Chattahoochee Fluss bei Columbus, Georgia. Gleich danach bin ich mit meiner Familie nach Frankreich gezogen, dort fand ich einige weitere Wracks. Eines war aus der Zeit Napoleons, ich fand sogar Münzen und religiöse Medallions. Später entdeckt bei Barcelona in einem Wrack alte Töpfereien, da war ich 12 Jahre alt . Diese stammten aus der römischen Zeit.
Du sagst, dass Forschung die Grundlage für eine schnelle und erfolgreiche Ortung eines Wracks ist. Welche Quellen verwendest Du für Deine Forschung?
Schiffsunglücke sind die Flugzeugunglücke der vergangenen Zeit. Damals wurde in allen Zeitschriften darüber berichtet. Ich habe jedes Wort in diesen Artikeln sorgfältig gelesen. Nicht nur über den Ort des Geschehens und die Ladung an Board sondern auch über Bergungsversuche und Rettungsboote. Da deren Schiffstagebücher noch existieren, erhielt ich mehr Details über das gesunkene Schiff als in den Zeitungsartikeln. Zusätzlich habe ich viele Informationen von Versicherungen und aus Gerichtsunterlagen.
Welches sind die Schritte einer Wracksuche und Wrackbergung?
Es gibt Millionen von Wracks und daher immer noch genug zu entdecken. Zunächst suche ich mir eine Region aus, die ich gut erreichen kann und forsche dort nach gesunkenen Schiffen. Dann entscheide ich, auf welches ich mich konzentriere, welches am einfachsten zu finden ist. Je genauer die Informationen, desto einfacher ist es für mich. Als nächstes spreche ich mit lokalen Fischern und Tauchern. Ich studiere Seekarten und suche nach Riffen, die den Namen gesunkener Schiffe tragen. Zwei Wracks habe ich aus Zufall gefunden. Ein Captain sprach immer von “Westward Hang” und “Eastward Hang”, an denen er seine Netzte verlor. Von der Postion her konnte das aber eigentlich nicht stimmen, da sie nicht im Westen und Osten lagen. Nach einiger Zeit verstand ich, dass es sich um die beiden Schoner Westward und Eastward handelte, die vor über 100 Jahren in einem Hurrikan gesunken waren.
Wie viele Wracks hast Du bisher entdeckt?
Genau weiß ich es nicht, aber wir sprechen von mehreren hundert. Auf den Bahamas habe ich einen Platz mit insgesamt 28 gesunkenen Wracks entdeckt.
Was fühlst Du, wenn Du abtauchst und ein Wrack zum ersten Mal siehst?
Es ist wie das entscheidende Tor in einem Turnier zu schiessen. Es ist ein wunderbares Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Was kannst Du aus einem Wrack über die Zeit, in der das Schiff in Betrieb war, herauslesen? Welche historischen Informationen findest Du?
Es ist oft sehr wenig archäologische Information, auch wenn Regierungen oft das Gegenteil behaupten. Es geht eher darum, Rätsel zu lösen und herauszufinden, warum ein Schiff gesunken ist. Manche Wracks geben Historikern Rätsel auf, und diese kann ich helfen zu lösen. Das Wrack des U-Bootes Hunley habe ich 1970 entdeckt. Das U-Boot war historisch wertvoll, da es als erstes U-Boot ein Schiff zum Sinken gebracht hat. Das Boot wurde im Geheimen gebaut. Wir haben in dem Wrack eine Goldmünze gefunden, welche eine Legende bestätigt hat. Die Legende war, dass der Captain vor dem Untergang des U-Bootes die Schlacht von Shiloh, Tennessee, in der er angeschossen wurde, überlebte. Die Goldmünze rettete ihm das Leben, weil die Kugel an dieser Goldmünze abprallte. Diese verbogene Münze mit der Gravur “Shiloh/April 6, 1862/My life Preserver/G. E. D.” habe ich gefunden. Meine Rechte an dem Wrack habe ich abgetreten, zum Wohle der Allgemeinheit.
Mit welchen Schwierigkeiten hast Du zu kämpfen?
Bürokraten, die Genehmigungen gar nicht oder verzögert ausstellen, sind das größte Problem. Die Gründe sind vielfältig und reichen von Korruption, bis zu Unverständnis und Ignoranz. Manche Bergungen müssen schnell von statten gehen, da die Artefakte sonst zerstört werden können und dieses Verständnis ist nicht immer vorhanden.
Wettbewerb stört mich weniger als Menschen, die versuchen meine Entdeckung als ihre eigene zu deklarieren.
Geld ist immer ein Problem in der Branche, viele Projekte scheitern an der Finanzierung. Glücklicherweise habe ich eine lange Liste an Entdeckungen und einen guten Ruf. Daher bekomme ich die Finanzierung problemlos hin. Größer ist das Problem der Regierungen, der Bürokratie und der Genehmigungen. Ich bin gerade wieder in ein neues Projekt involviert. Wenn ich das schaffe, dann könnte das die größte Entdeckung meines Lebens werden.
Was man über Dich so liest, hinterlässt den Eindruck eines echten Indiana Jones. Bist Du furchtlos und gehst hohe Risiken ein?
Ich habe einige gefährliche Dinge in meinem Leben gemacht. Aber ich bin nicht unverantwortlich. Die Sicherheit meines Teams immer an erster Stelle.
Hattest Du einen Unfall auf Deinen Wracksuchen?
Einmal sagte mir ein Drogenboss, der bereits vor Zeugen einen Mann erschossen hatte, ich hätte ihn beleidigt und er würde mich dafür töten. Meine Antwort, die ich sehr ruhig hervorbrachte, liess ihn wohl glauben, ich sei viel größer und eine unmittelbare Bedrohung für ihn. Er wurde ganz rot im Gesicht, nahm seine Worte zurück und entschuldige sich zum Erstaunen seiner Entourage bei mir. Ich habe mich nie ernsthaft verletzt, war aber oft in lebensbedrohlichen Situationen. Ich bin schon sehr oft ohne Luft geblieben, ich weiss gar nicht mehr wie oft. Im Wrack der SS Regina habe ich den Weg nach draußen nicht gefunden und war in fast 30 Metern fast ohne Luft. Ich habe gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass ich falsch abgebogen war und habe es noch nach draußen geschafft. Während der Arbeiten in einer Fähre fiel mein Atemregler plötzlich aus. Ich brauchte fast vier Minuten um nach draußen zu kommen, ohne einen Atemzug machen zu können. Ein anderes Mal hat eine Welle ein Wrack angehoben, das Wrack kam über mir herunter und drückte mich in den Schlamm. Nach der nächsten Welle konnte ich herauskrabbeln.
Du hast eine Liebe zur Geschichte im Allgemeinen. Warum ist es wichtig, was wir über unsere Geschichte wissen?
Vor den Nationalen Archiven der USA steht graviert: Die Vergangenheit ist der Prolog. Die Vergangenheit sagt uns, was die Zukunft bringt. Ich liebe Forschung so sehr wie Tauchen, wenn nicht sogar mehr. Für mich erwecken die Wracks die Vergangenheit zum Leben.
Du bist für viele Menschen ein Vorbild. Hast Du auch Vorbilder?
Meine Vorbilder sind Menschen, mit denen ich gearbeitet habe wie Robert F. Marx (Autor) und Mel Fisher (Schatzsucher). Fisher war ein Optimist, ein Träumer, ging fast bankrott, verlor zwei Kinder bei der Suche nach der spanischen Gallery Atocha. Nach 14 Jahren fand er das Wrack und schrieb Geschichte. Mein größtes Vorbild ist mein Vater, Col. Judson C. Spence Sr., Ph.D., ein echter Gentleman. Er war ehrlich, arbeitetete hart, war sehr intelligent und kümmerte sich um andere.
Was hat Dich motiviert, eine Schule für professionelle Taucher zu eröffnen? Welche Philosophie verfolgst Du in der Ausbildung?
Die Schule, die ich als Mitgründer ins Leben gerufen habe, ist das International Diving Institute in Charleston, South Carolina. Die Schüler können sich in einer Vielzahl von Fachbereichen ausbilden lassen, z.B im Umgang mit gefährlichen Substanzen, Schweißen unter Wasser usw. Unser Grundkurs dauert 40 Wochenstunden, 16 Wochen lang. Zu Beginn war ich vom regelmäßigen Einkommen motiviert, das mir die Schule bringen würde. Dann sah ich aber den positiven Einfluss auf unsere Studenten und halte die Schule inzwischen für meine größte Errungenschaft.
Welche Gefahren siehst Du für die heutige Unterwasserwelt? Was sollten neue Taucher beachten, wenn Sie mit dem Tauchen beginnen?
Wie auch an Land ist die Überregulierung und zu viel Kontrolle durch Regierungen das größte Problem. Neue Taucher sollten sich immer daran erinnern, dass die Gesetzte sich ständig ändern, was heute erlaubt ist, kann morgen verboten sein. Darauf müssen sie sich dann vorbereiten.
Teilst Du den Pessimismus, was die Entwicklung der Ozeane und der Ökosysteme angeht? Zerstören wir unsere Meere und kann man noch etwas dagegen tun?
Deine Frage ist außerhalb meiner Expertise, aber meine Antwort ist nein. In den Regionen, die überfischt wurden, haben wir daraus gelernt. Es wurden Fangbeschränkungen eingeführt, die Umweltverschmutzung wurde reduziert und die Fische kehrten zurück. Künstliche Riffe wurden errichtet und von ihren Bewohnern bezogen, sie haben den Druck der Fischerei von den natürlichen Riffen genommen.
Meine Mutter ist ungefähr in Deinem Alter und meint, sie sei zu alt um noch mit dem Tauchen zu beginnen. Was würdest Du ihr sagen?
Vielleicht ist sie zu alt für eine Karriere als Berufstaucher. Aber wenn sie keine gesundheitlichen Probleme hat, die sie davon abhalten, kann sie sich natürlich noch zum Sporttaucher ausbilden lassen. Ich habe in der Vergangenheit Menschen mit fehlenden Gliedmaßen und Blinde gesehen, die mit dem Tauchen begonnen haben. Daher ist so ein Alter keine Barriere. Es geht mehr um ihr Interesse und ihr Selbstbewusstsein.
About the Author: Bettina Winert
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