
Tauchboot-Unglücke im Roten Meer: wir müssen über die Sicherheit reden
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Beitrag verfassen soll, denn es geht um Menschenleben, die bereits verloren sind, um traumatisierte Passagiere und um Menschen, die ihre Liebsten verloren haben. Über dieses Thema im Kontext der Tauchindustrie, der Sicherheitsanforderungen und der Branche insgesamt zu sprechen, ist daher nicht einfach. Dennoch müssen wir diese Debatte dringend führen – und auch uns selbst als Kundinnen und Kunden dieser Boote fragen, was wir tun können, um auf die Anbieter und die Reisebüros und Veranstalter mehr Druck in puncto Sicherheit auszuüben.
Das Angebot wird schließlich auch durch die Nachfrage gesteuert. Mündige Kund*innen, die bei der Buchung gezielt Sicherheitsmerkmale abfragen und berücksichtigen, können Gehör finden. Gleichzeitig muss der ägyptische Staat genauer hinschauen und wirksame Regularien einführen, die nicht durch kreative Umgehungspraktiken ausgehebelt werden können.
Dabei sei betont: Dieses Problem ist kein rein ägyptisches. Da sich diese Unfälle jedoch insbesondere im vergangenen Jahr in Ägypten gehäuft haben, richte ich meinen Fokus hier auf mein Lieblingsland.
Wie wird die Sicherheit von Tauchsafarischiffen geregelt?
Es gibt verschiedene Faktoren, die die Sicherheit an Bord eines Tauchschiffes beeinflussen. Die Sicherheit beginnt beim Bau der Boote in den lokalen Werften. Hier sind Know-How der Werft beim Bau, die Stabilität, das Material und die Bauweise essentiell. Wird hier gespart oder werden Fehler gemacht, können diese Fehler nicht mehr behoben werden.
Neben dem operativen Ablauf, den Sicherheitsmaßnahmen an Bord und dem Training der Crew beginnt die Sicherheit bereits beim Bau des Schiffes. Dazu kommen lokale Permits, Genehmigungen und Erlaubnisse sowie diverse Vorschriften und Gesetze. All diese Dinge bilden das Sicherheitsnetz für die Safarischiffe im Roten Meer.
Welche Regelungen gibt es?
Für die Sicherheit auf dem Meer gibt es zum Beispiel die SOLAS Zertifizierung. SOLAS (Safety of Life at Sea) ist ein internationales Übereinkommen, das Mindeststandards für die Sicherheit von Schiffen, deren Bau, Ausrüstung und Betrieb festlegt, um die Sicherheit der Schifffahrt und den Schutz von Leben auf See zu gewährleisten. Andere Standards sind MARPOL (International Convention for the Prevention of Pollution from Ships), STCW (International Convention on Standards of Training, Certification, and Watchkeeping for Seafarers) oder MLC (Maritime Labour Convention).
Zusätzlich überwachen Klassifikationsgesellschaften wie die DNV (Det Norske Veritas), Lloyd’s Register oder Bureau Veritas die Sicherheit und Standards für Schiffe, oft auch über SOLAS hinausgehend.
Diese Regelwerke ergänzen oder spezifizieren SOLAS für bestimmte Bereiche, wie Umweltaspekte, Arbeitsbedingungen oder die Vermeidung von Kollisionen.
SOLAS ist die weltweit am weitesten verbreitete und bedeutendste Zertifizierung im Bereich der Schiffssicherheit, insbesondere für den internationalen Schiffsverkehr. Dies liegt daran, dass das SOLAS-Übereinkommen von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) entwickelt wurde und von fast allen maritimen Nationen der Welt ratifiziert ist. Es setzt den Standard für die Sicherheit von Schiffen, die auf internationalen Gewässern operieren. Deshalb möchte ich Sicherheit anhand der SOLAS Richtlinien erläutern. Auch Kreuzfahrtschiffe, Tanker oder Fähren sind SOLAS zertifiziert. Entwickelt wurde dieses Konzept als direkte Antwort auf den Untergang der Titanic, um die Sicherheit der zivilen Schifffahrt zu erhöhen.
Im Roten Meer gibt es lediglich ein einiges Safarischiff, das SOLAS zertifiziert ist. Es handelt sich um die Royal Evolution. Es ist das beste Beispiel für Sicherheit beim Bau aber auch im Betrieb. Sicherheit kommt tatsächlich immer an erste Stelle und ist in die DNA der Firma fest eingewoben. Bei allen andere Booten muss man sich einzig auf die lokalen Gesetze und das Verantwortungsbewusstsein der Betreiber*innen verlassen.
Was wird unter SOLAS vorgeschrieben ?
Die SOLAS-Zertifizierung überprüft Aspekte wie:
- Konstruktion und Stabilität des Schiffs
- Brandschutzmaßnahmen
- Rettungsmittel (Rettungsboote, Schwimmwesten etc.)
- Kommunikations- und Navigationsausrüstung
- Sicherheitsmanagement an Bord
SOLAS regelt also die Sicherheit der Boote bereits im Bau und macht auch Verschreibungen für die Erhaltung der Sicherheit im laufenden Betriebt. Es ist also ein umfassender, unabhängiger und international anerkannter Standard in der Schifffahrt.
Welche Fehler werden gemacht?
Ein wichtiges Thema ist die Stabilität von Schiffen unter allen Betriebsbedingungen. Passagierschiffe, die mehr als 12 Personen in internationalen Gewässern transportieren und über 500 GT haben, brauchen eine SOLAS Zertifizierung. Die Safariboote in Ägypten sind groß, schwer und hoch und werden ohne jegliche internationale Überwachung gebaut. Eine SOLAS Zertifizierung könnte hier schon im Bau bei der Stabilität Fehler vermeiden. Bei Holzbooten oder Kombinationen aus Stahl und Holz ist eine SOLAS-Zertifizierung in der Regel nicht möglich, da die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen für Holz extrem aufwendig sind. Aus diesem Grund sind solche Boote fast nie nach SOLAS zertifiziert. Die ganz genauen Regeln kann ich hier aber auch nicht ausarbeiten, da ich keine Juristin bin. Ich selber würde aber in Zukunft immer anfragen, wie viele GT das Schiff hat, wie viele Passagiere und welche Zertifizierungen vorhanden sind.
Nach der Fertigstellung eines Schiffes liegt die Verantwortung bei den Betreibern, dem Kapitän und der Crew. Sie müssen sicherstellen, dass alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten und regelmäßig überprüft werden. Besonders bei Holzbooten besteht eine erhöhte Brandgefahr. In Kombination mit möglicherweise schlecht gewarteter Elektrik, Motoren und den Auswirkungen von Salzwasser entsteht eine gefährliche Mischung – ein „perfekter Sturm“, der bereits Menschenleben gefordert hat. Wenn dazu noch mangelndes Sicherheitstraining, fehlende Rettungswesten, blockierte Notausgänge und eine unzuverlässige Kommunikationsanlage kommen, wird eine Katastrophe unausweichlich.
Leider herrscht in vielen weniger entwickelten Ländern, darunter auch Ägypten, ein erheblicher Wildwuchs im Bootsbau. Fehlende Regulierungen, lasche Gesetze, unzureichende Kontrollen und Korruption führen dazu, dass viele Boote nicht einmal die bestehenden lokalen gesetzlichen Vorgaben erfüllen.
Verantwortung der Tauchsreisebüros und Veranstalter
Bei der Suche nach Tauchsafarischiffen stehen oft nur das Ziel, der Preis und die Ausstattung des Bootes im Vordergrund – nicht jedoch die Sicherheit. Dies liegt auch am falschen Fokus der Reisebüros und Betreiber.
Schon die Darstellung der Boote auf den Homepages der Anbieter ist problematisch. Im Mittelpunkt stehen luxuriöse Kabinen, das großzügige Sonnendeck, das Essen oder der gut ausgestattete Fotoraum. Doch wo bleibt die Sicherheit? Hier setzt meine Kritik an: Warum werden Sicherheitsmerkmale oft in den Bootsspezifikationen versteckt, irgendwo ganz unten auf der Seite, nach zehn Klicks? Warum stehen sie nicht prominent oben oder sind als Checkliste transparent und ehrlich abrufbar?
Es gibt unzählige Checklisten, die beschreiben, was man auf Safaris mitnehmen sollte oder wie man sich vorbereitet. Aber wo sind die Checklisten zur Sicherheit der Boote? Warum wird nicht systematisch darüber informiert, welche Sicherheitsstandards erfüllt werden, wie Rettungsmittel gewartet werden und ob die Crew regelmäßig geschult ist? Diese Transparenz wäre ein entscheidender Schritt, um Vertrauen zu schaffen und die Bedeutung von Sicherheit für Tauchsafaris zu erhöhen.
Checkliste für Sicherheitsvorkehrungen auf Livebaords
Zusammen mit Experten habe ich daher eine Liste gemacht, wie ein gutes Sicherheitskonzept auf einem Safariboot aussieht. Mit dieser Liste kannst Du bei deinem nächsten Tauchurlaub schon bei der Buchung deine Reiseagentur fragen, ob die Sicherheit an erster Stelle steht oder schicke Liegen am Oberdeck:
- Wo wurde das Schiff gebaut?
- Besitzt es eine Zertifizierung wie SOLAS (Safety of Life at Sea)?
- Wurde der Bau von einer Institution wie dem Bureau Veritas überwacht und abgenommen?
- Gibt es eine A60-Schottwand (Brandschutz) zwischen Maschinenraum und Kombüse sowie dem Wohn- und Aufenthaltsbereich?
- Gibt es einen Brandschutzplan für das Schiff?
- Gibt es einen Evakuierungsplan für das Schiff?
- Ist das Schiff mit Feuerlöschschläuchen ausgestattet, die alle Bereiche an Bord erreichen?
- Gibt es Sprinkler im gesamten Schiff?
- Wo sind die Rettungsinseln untergebracht (innen oder an der Steuer- und Backbordseite)? Haben sie eine hydrostatische Auslöseeinrichtung?
- Sind genügend Feuerlöscher an Bord vorhanden?
- Gibt es eine CO2-Löschanlage für den Maschinenraum?
- Sind Luftdämpfer an den Gebläsen des Maschinenraums vorhanden?
- Gibt es ein Stabilitätsbuch?
- Wie oft wurde das Schiff inspiziert, gibt es Protokolle darüber?
Die Liste ist lang, aber eine Sicherheitsliste kann nie lang genug sein. Auch über die Sicherheit im Betrieb solltet ihr euch , spätestens wenn ihr an Board geht, informieren:
- Welche Sicherheitsschulungen hat die Besatzung absolviert?
- Wird mindestens monatlich eine Feuer- und Evakuierungsübung für die Besatzung durchgeführt, die im Logbuch des Schiffes vermerkt wird?
- Gibt es eine Sicherheitseinweisung für die Gäste nach dem Einsteigen?
- Haben die Gäste zu Beginn der Reise versucht, die Rettungsweste anzulegen?
- Wird der Feueralarm vor jeder Fahrt geprüft?
- Gibt es eine bekannte Sammelstation mit deutlich sichtbaren Schildern an Bord?
- Wie kompetent wirkt die Crew? Wie lange arbeitet sie schon auf dem Schiff?
- Wie stabil fühlt sich das Boot an?
Was könnte helfen, die Sicherheit zu verbessern?
Je mehr Wert auf Sicherheit auf den Booten gelegt wird, desto mehr Druck entsteht für Betreiber und Reiseveranstalter, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Sei informiert, handle selbstbestimmt und hab keine Angst, als übervorsichtig oder ängstlich zu gelten – es geht um dein Leben. Stell Fragen, bevor du buchst , und lasst dich nicht abwimmeln. Es ist an der Zeit, dass Sicherheit in den Fokus rückt und nicht irgendwo versteckt in kleingedruckten Bereichen auf den Webseiten der Boote und Veranstalter abgehandelt wird.
Um das Sicherheitsniveau der Schiffe im Roten Meer zu erhöhen, sollte ein Komitee aus vier bis fünf internationalen Gutachtern eingerichtet werden. Dieses Komitee könnte alle Liveaboards auf dem Markt inspizieren. Dabei könnten einige Boote die vorgeschriebenen Standards möglicherweise nicht erfüllen, während andere Verbesserungsvorschläge erhalten, die sie innerhalb einer festgelegten Frist umsetzen müssten. Schiffe, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sollten ihre Betriebserlaubnis verlieren.
Es besteht ein dringender Bedarf an mehr Sicherheit, besseren Konzepten, effektiveren Maßnahmen und strengeren Regularien. Gleichzeitig sollten die Eintrittsbarrieren in die Branche erhöht und die Anforderungen an die Betreiber von Tauchbooten deutlich verschärft werden. Nur so kann langfristig eine höhere Sicherheitskultur in der Tauchindustrie etabliert werden. Sicherheit auf Tauchbooten in Ägypten muss an erster Stelle stehen.
Wenn du wirklich tief in diese Materie eintauchen willst, empfehle ich Dir die Bachelorarbeit von Justus Schiszler, Student am Institut für Schiffbau und maritime Technik in Kiel. Du kannst sie hier herunterladen: https://insightscuba.com/diving-liveaboard-safety/.
Lies Dir diese Arbeit mal einfach durch. Lies Dir auch Checklisten durch, informier Dich allgemein über Sicherheit auf Schiffen und speziell auf Tauchbooten. Frag bitte Deinen Reiseveranstalter oder Reisebüro nach Sicherheitsmassnahmen auf dem Boot. Dafür sind sie auch da. Es ist auch in ihrer Verantwortung, dass die Kund*innen sicher wieder nach Hause kommen und sie sollten keine Boote verkaufen, deren Sicherheit sie nicht gut genug kennen. Fragt immer wieder nach, wo ihr könnt. Nur wenn wir als Kund*innen hartnäckig sind, kann sich im Bereich Sicherheit etwas bewegen.
About the Author: Bettina Winert
Schlagworte
Teilen auf
Weitere Blogbeiträge
Ägypten, Sudan, Tauchen, Tauchsafari /
19. Juli 2024
Was, das ist schon 10 Jahre her? Im Mai hatte ich wieder einmal das Vergnügen, an einer Tauchsafari auf der Royal Evolution teilzunehmen. Dieses Schiff ist eines meiner absoluten Favoriten für Tauchabenteuer […]
Reisen /
24. August 2022
Meine letzte Tauchsafari habe ich 2016 gemacht, es ging nach Indonesien. Danach kamen 3 Schwangerschaften, drei Kinder, sehr viel Trubel und Familienleben. Für Tauchgänge oder sogar Tauchreisen blieb mir fast keine Zeit. […]
Schreibe einene Kommentar
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Neueste Beiträge
Tags
Kategorien
- Afrika (27)
- Ägypten (36)
- Albanien (5)
- An Land (50)
- Costa Rica (2)
- Dänemark (1)
- Deutschland (5)
- Europa (64)
- Freitauchen (6)
- Ghana (1)
- Gozo (3)
- Hotel (8)
- Individualreise (20)
- Indonesien (6)
- Italien (7)
- Jordanien (3)
- Karibik (1)
- Kroatien (14)
- Langes Wochenende (15)
- Malaysia (2)
- Malediven (5)
- Malta (2)
- Mazedonien (1)
- Mexiko (1)
- Mikronesien (2)
- Molukken (1)
- Montenegro (1)
- Mosambik (3)
- Naher Osten (3)
- Oman (1)
- Österreich (27)
- Philippinen (1)
- Reisen (73)
- São Tomé und Príncipe (1)
- Saudi Arabien (1)
- Slowakei (1)
- Slowenien (7)
- Spanien (5)
- Südafrika (1)
- Südamerika (3)
- Sudan (5)
- Südostasien (10)
- Süßwasser (11)
- Tagestrip (6)
- Tauchen (152)
- Tauchsafari (29)
- Thailand (2)
- Ungarn (4)
- Wochenendtrip (10)
- Zypern (2)