Wohin kann die Solo-Reise gehen?
Diesmal habe ich es mir noch ein bisschen schwerer gemacht. Neben den zu beachtenden coronabedingten Reisebeschränkungen, kam diesmal noch die Anforderung dazu, dass ich unbedingt Solotauchen wollte. Ich habe natürlich ein dementsprechendes Brevet. Nachdem Ägypten mit PCR Test die Einreise ermöglicht und ich die Malediven schon im August erledigt hatte, fiel die Wahl nicht mehr sonderlich schwer. Ich buchte die komplette Reise individuell, der Flug ging von Wien nach Kairo und weiter nach Hurghada. Von dort ging es mit einem eigenen Fahrer in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit in die Lahami Bay, die Anreise hat dennoch ewig gedauert. Aber es hat sich gelohnt.
Solotauchen ist aber nun in Ägypten nicht überall gern gesehen. Nachdem ich von einer deutschsprachige Tauchbasis belehrt wurde, Solotauchen sei in Ägypten gesetzlich verboten, war mein Ehrgeiz geweckt. Generell ist es nämlich nicht verboten. Ich wendete mich an die Zeitschrift Tauchen und erhielt von Walter Comper eine Auflistung einiger Tauchbasen in Ägypten, die Solotauchen ermöglichen. Diese Auflistung kann ich nunmehr um „Barakuda Diving“ in der Lahami Bay ergänzen. Mit entsprechendem Brevet kein Problem, lautet die Auskunft, Ponytanks seien auf der Basis natürlich vorhanden.
Das Paradies am Ende des Landes
Die Lahami Bay liegt braun-golden glänzend und einsam im tiefen Süden Ägyptens. In Lahami endet der touristische Teil am Roten Meer, weiter südlich gibt es keine Hotels mehr. Ein breiter ockerfarbener Streifen weichen Sands durchsetzt von Mangrovenwäldern und hügeligen Büschen säumt das tiefblaue Meer ein. Silberreiher und Graureiher waten im seichen Wasser über welligen sandigen Grund während gelegentlich ein Fischadler über den Ufersaum hinwegzieht. Im Abendlicht sausen dutzende geschäftige Rotmeer-Reiterkrabben über den Strand und stopfen sich die kleinen Mäuler voll.
Einsames Paradies unter Wasser
Nachdem mich der Guide beim ersten Tauchgang mit dem Hausriff vertraut gemacht hat, starte ich beim zweiten Tauchgang solo los. Ziemlich am Anfang eines der Hausriffe, dem sogenannten Banana Reef, finde ich eine Gruppe von Fledermausfischen, von denen sich ein junges Exemplar aus der Gruppe löst und begeistert auf mich zuflattert.
Das kleine Wesen inspiziert sofort meine Maske, den Atemregler und meine Haare. Alles nicht essbar. Trotzdem bleibt der Kleine auf Tuchfühlungsdistanz während die Alten das Treiben teilnahmslos beobachten. Ich fotografiere und fotografiere meinen kleinen Liebling von allen Seiten. Als ich plötzlich nur mehr aufgewühlten Sand vor der Linse habe, drehe ich mich verärgert um. Übt hier etwa ein Tauchschüler seine Skills ? Nein. Ich blicke auf ein großes graues Wesen mit schwarzen Äuglein.
Die Dugong Attacke
Eine Seekuh hatte sich klammheimlich von hinten angenähert, stöbert einen halben Meter neben mir im Sand und glotzt mich treuherzig an. Ich bin so verdutzt, dass ich erst, als die Seekuh nach einer Weile abdreht und in Richtung eines Fleckriffs weiterschwimmt, daran denke, dass ich auch ein paar Fotos machen könnte.
Entzückt betrachte ich die Härchen am Rücken der grauen, behäbigen Dame, die mir dann sogar noch ein paar große elegante Rollen vorführt. Ich schwimme weiter das Banana Riff entlang, das von zahlreichen Anemonenfischen, Fledermausfischen, Zitronenmakrelen, vielen Falterfischen, Doktorfischen, Blaupunktstechrochen, Napoleons, Schildkröten und Schwarzspitzenriffhaien bevölkert wird.
Am Ende des Tauchgangs, der über eine kleine Fläche Seegras zu einer Boje führt, kreuzt noch ein Geigenrochen und Leopardstechrochen meinen Weg. Zumal das Hausriff des Resorts viel zu groß ist, um es abzuschwimmen, wurde ein Bootsshuttleservice zu den weiter entfernt gelegenen Teilen eingerichtet. Dort finden sich die sogenannten Bojen Nummer 1-6. Jede Boje bezeichnet einen eigenen Tauchplatz. Boje Nr. 5 weist ein derart dichten Weichkorallenbewuchs auf, den ich bei einem Hausriff nicht für möglich gehalten hätte.
Die Bootstauchgänge
Das Hausriff wird auch vom etwas weiter nördlich gelegenen Tauchercamp als Bootsausflug angefahren, was meinen emotionalen Besitzansprüchen etwas zuwiderläuft. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass bei Seegang die Sicht am Beach Entry schlichtweg miserabel sein kann. Dann empfiehlt sich dann das Hausriffboot als Shuttle zu nutzen.
Die von der Basis durchgeführten Bootstouren führen uns an die vor der Lahami Bay gelegenen Fury Shoals, wobei mir Shaab Maksur, Shaab Claudio, Malahi und Sataya am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben sind. Lediglich an Shaab Claudio konnte ich mich von meinem letzten Aufenthalt her erinnern. Bei Malahi taucht man durch Korallentürme von unglaublicher Größe. Wie eine Festung mit gewaltig großen Säulenhallen, engen Gängen, Türmen, Toren, mächtigen Mauern und Durchlässen. Kein Stäubchen trübt die fast gläserne und durchscheinende Sicht. So erhält man ein fast unwirkliches Gefühl einer andren Realität, wenn man die mächtigen Strukturen umschwimmt.
Ein ähnliches Gefühl beschleicht mich immer bei Shaab Claudio, wenn man die dämmrig-blauen Kavernen durchtaucht.
Ich könnte ganze Tage in diesem Höhlensystem verbringen. Am Ende eines Tunnels kreisen zwei junge Weißspitzenriffhaie scheinbar in einer Endlosschleife.
Bei Shaab Maksur wuchern üppige Weichkorallengärten mit unzähligen Fahnenbarschen dem Licht entgegen. Gelegentlich zieht ein Napoleon oder ein Barrakuda vorbei.
Das Spiel der Delphine
Und nicht zu vergessen Sataya, wo wir zwischen den Tauchgängen an einem herrlichen Drop Off kurz mit Delfinen schnorcheln, die an diesem Tag in absoluter Spiellaune sind.
Hier falle ich auch einer wissbegierigen Karettschildkröte zum Opfer, die mich an Armen, Beinen und Bauch anknabbert. Passender Weise hatte ich ich just an dem Tag beschlossen hatte, wieder einmal ohne Anzug zu tauchen. Während meines Fototermins mit einer Muräne schwamm sie eilig auf das weiße, käsige, wabernde Taucherlein zu, um es eingehend zu untersuchen. Bevor sie zuzwickt, schaut sie mich jedes Mal eine halbe Minute ganz treuherzig an.
Solotauchen am Hausriff
Nachdem die Wellen ein paar Tage keine Bootstauchgänge zulassen, vergnüge ich mich dazwischen wieder am Hausriff. Zumal die Hausrifftauchgänge vom Beach Entry aus eine schwindelerregende Tiefe von maximal 12 Metern aufweisen. Daher erkläre ich dem Basisleiter, dass der Ponytank keine Lust mehr hat, mit zu kommen. Der Basisleiter lässt das aber nicht gelten lässt. Als bezahlter Angestellter der Basis sei auf die Befindlichkeiten des Ponytanks keine Rücksicht zu nehmen, meint er. Da hilft alles Raunzen nichts. Und darin sind wir Österreicher angeblich gar nicht so schlecht.
Auch in der Lahami Bay bin ich lange nicht gewesen. Zu lange nicht, denke ich. Während ich im Flugzeug nach Hause in Gedanken noch einmal die blauschimmernden, dämmrigen Gänge von Shaab Claudio durchschwimme. Ich hoffe, hier wieder bald tauchen zu dürfen. Es ist wirklich ein kleines Paradies.
Beitrag und Copy Right Fotos: Christine Rauter
About the Author: Bettina Winert
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