Nicht erst seit Instagram und Facebook wird das Leben fotografisch festgehalten. Schon die Generation vor uns quälte Freunde und Familie mit ihren langweiligen Videos oder Dias aus dem letzten Italienurlaub. Verwackelte Zeitzeugen, die niemand so richtig sehen will. Die man aber über sich ergehen lässt, denn man will ja den Filmer nicht verletzten. Unzählige Dia-Abende fanden in deutschen Wohnzimmern statt, das Gähnen versuchten die Zuschauer halbherzig zu verdecken. Filmen und Fotografieren war kein Hobby, sondern bitterer Ernst der Reisenden. Ohne Dia, Video  oder Instagram-Post ist es halt nicht passiert. Bis heute finden sich auch unter Wasser wackere Filmerinnen und Fotografen, die für eine vermeintlich gute Aufnahme, störende Taucherinnen in die nächste Feuerkoralle schubsen.

Die renitenten Fotografen

Mit ihren riesigen Gehäusen, in denen teure Kameras, Blitze und vielleicht sogar das Bernsteinzimmer stecken, tauchen sie mit Material im Wert eines Kleinwagens ab. Auf der Kamera sind  noch eine Actionkamera und ein Videolicht montiert.  Zu den  2 Blitzen kommen Lampen, das ganze Konstrukt thront auf einer Schiene. Vor dem Tauchgang wird noch im Gehäuse ein Vakuum herbeigeführt. Dann geht es los. Zunächst springt der Taucher ins Wasser und lässt sich die Kamera angeben. Bei einem Tauchgang mit negativen Einstieg treibt der Fotograf daher noch eine ganze Weile zappelnd an der Oberfläche, um ja nicht zu weit vom liebsten Gerät abzutreiben. Ob der Buddy runterkommt oder schon am Seil auf 20 Metern hängt, ist egal. Hauptsache, die Kamera kommt mit.

Während es Tauchgangs wird sich gnadenlos positioniert. Eine seltene Nacktschnecke? Perfekt. Der Fotograf rauscht wie ein Flugobjekt aus einer fernen Galaxie zu dem Objekt der Begierde. Er lässt sich in den Sand vor der kleinen Schnecke krachen und bleibt dort liegen. Nach 10 Minuten, wenn der Sand, den er aufgewirbelt hat, endlich abgesunken ist, geht es mit den Einstellungen los. Da werden Blitze adjustiert, alle Kameraeinstellungen durchgespielt. Es wird gedreht, gewendet und geblitzt. Mich wundert es, dass noch keine Schnecke im Licht des Blitzes gegrillt wurde. Nach 150 verschiedenen Aufnahmen der einen Schnecke, flappt der Fotograf endlich seiner Wege und wir normalsterblichen Knipser dürfen auch mal ran . Wenn es noch etwas zu sehen gibt. Denn scheure und schneller Gesellen als eine Schnecke, haben schon längst das Weite gesucht. Und so passiert es jedes Mal, ob sich andere Fotografinnen auch ein schönes Foto wünschen würden, das ist dem renitenten Fotografen völlig egal.

Die penetrante Filmerin

Sie war schon überall, sie hat alles gesehen und wirft mit Namen wie „Malediven, Raja Ampat, Rotes Meer“ nur so um sich. Schicke Flossen, toller Anzug und eine mega Kamera. Die Filmerin hat unter Wasser eine Mission: sie will filmen. Tarierung, Flossenschlag, Luftverbrauch und andere Taucher sind ihr nicht so wichtig. Ob die Kamera auf ihrer tollen Schiene hin- und her wackelt leider auch nicht. Die Filmknipse ist ihr an der Hand festgewachsen, ihre Augen sehen nur gut, wenn sie auf das Display  des Gerätes blicken. Etwas ohne Kamera unter Wasser zu betrachten, ist ihr fremd. Für vermeintlich gute Aufnahmen schwimmt sie über Leichen. Ich sage bewusst schwimmt, denn so wie sie paddelt und mit Armen und Beinen wedelt, würde sie auf Bahn 3  im Hallenbad in Wanne-Eickel nicht weiter auffallen.

COPYRIGHT Video : Ashraf / Mohammed / Blue Planet Fleet

Sobald sie ein lohnendes Motiv entdeckt, schiesst sie los. Eine Frau, eine Mission. Links, rechts, rauf, runter. Gnadenlos taucht sie ihren Weg, egal ob alle anderen geradeaus tauchen. Sie hat etwas entdeckt. Den 213ten Rotfeuerfisch, den sie von hinten filmt. Die Kamera wackelt im Takt ihrer Flossen, das Videolicht leuchtet am Fisch vorbei. Zack, die Aufnahme ist im Kasten. Der Triumph ist ihr ins Gesicht getackert. Nur der Guide zieht sie ab am Kragen, bevor sie ins Riff kracht. Besser wäre es, er würde sie ganz aus dem Verkehr ziehen. Aber das kann man sich halt als Dienstleister nicht leisten.

Der Amateur an der GoPro

Der Tauchanfänger von heute kauft sich quasi als Basisaustrüstung erst mal  eine GoPro. Man will ja was für Instagram haben. So hat er die Kamera fest in seiner kleinen Faust, noch bevor der Rest des Körpers sich einigermassen gut im Wasser halten kann. Tarieren? Ach, das sieht man doch bei allen Tauchern, wie einfach das ist. Kann ich auch. Und ich filme. Tja, Malte. Schade, denn erstens hängst Du wie ein Sack Reis im Wasser. Ein Sack Reis mit Beinchen, die mit ihren hektischen Flossenschlägen Korallen kaputt machen und anderen Tauchern wehtun. Elegant ist halt anders. Gut tarieren kann, wer es übt, an sich arbeitet und auch mal schaut, wie das denn andere Taucher so machen.

Malte aber glotzt immer nur auf das Display seiner GoPro. Bei Malte weiss man auch nie, was er filmt. Denn er hält die kleine Action Cam einfach immer nach vorne, egal was er macht und wohin er taucht. Da er nur 5 Tauchgänge hat, weiss er es selber nicht so genau. Blauwasser ohne Fisch, auftauchen in einem Meer von Blasen. Abtauchen am Seil. Alles nicht wahnsinnig spannend, aber Malte hält darauf. Wie ein Profi. Und tauchen? Das lernt er später, erstmal will er sein verwackeltes Werk in grau-blau bei Insta hochgeladen.

 

About the Author: Bettina Winert

Mutter von 3 Kindern, im Exil in Wien lebend. Autorin, Taucherin und begeisterte Gärtnerin.

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