Die Zitterpartie: fahren oder nicht fahren?
Noch während meiner Reise mit der Familie nach Italien im Corona Sommer 2020, wollte ich unbedingt noch einige unbeschwerte Tage in Venedig verbringen. Die Infektionszahlen sahen gut aus und der Mann würde sich um die Kinder kümmern. Aus Venedig rief ich eine Freundin an und wir planten unser langes Wochenende für Oktober in der Lagunenstadt. Während wir uns freuten, stiegen die Infektionszahlen europaweit wieder an. Erste Reisebeschränkungen traten in Kraft, in Italien wurde eine allgemeine Maskenpflicht eingeführt.
Nach langen Überlegungen fuhren wir dennoch mit dem Auto nach Venedig. Die Parkplatz in der Garage in der Altstadt hatte ich vorab online reserviert. Wir waren spät dran und eigentlich sicher, dass unser Platz schon weg sein würde. Besonders, da das Parkhaus als besetzt angezeigt wurde. Umso größer die Überraschung, als der nette Herr meinen Namen in seinen langen, ausgedruckten Listen fand und uns den Parkplatz zuwies. Über Air BnB hatten wir uns ein barock anmutendes Apartment direkt über einem Kanal am Markusplatz gemietet. Nachdem ich uns direkt in die falsche Richtung gelotst hatte, saßen wir etwas später auf dem richtigen Vaporetto und bezogen dann unser Quartier.
Venedig: Die Schönste auf der ganzen Welt?
Direkt nach unsere Ankunft zog es uns zum legendären Markusplatz. In den Medien hatte man vernommen, Venedig sei nie so leer gewesen. Niemals habe man die Stadt als Tourist für sich alleine gehabt, jetzt sei der beste Zeitpunkt zum Reisen. Auch wenn es zynisch klingt, wenn man das Leid und die hohen Todeszellen der Italiener aus dem März 2020 kennt. Es stimmt. Kaum Touristen auf dem ansonsten vollen Markusplatz. Wir hatten diesen magischen Ort im Dunkeln fast für uns alleine. Was mich, wie bei jedem Besuch in Venedig, immer wieder mit voller Wucht trifft, ist die unglaubliche Schönheit dieser Stadt.
Es ist wie ein Wimmelbild der schönsten Gebäude, Ausblicke und pittoresken Gassen. Es gibt nicht eine Ecke, die hässlich ist. Keine Bausünde verschandelt dieses Juwel einer Stadt. Egal wie weit ich reise, was ich sehe und erlebe. Venedig raubt mir jedes Mal den Atem und lässt mich ganz klein und demütig werden. Dieses Wunderwerk. Ein – noch – bewohntes Museum, dass sich dennoch in manchen Stadtteilen gerade neu erfindet und innerhalb dieser Kulisse moderner und jünger wird. Auch wenn der Kampf gegen den Über-Tourismus aussichtslos erscheint, wünscht man sich, dass sich die Venezianer ihre Stadt zurückholen. Denn ja, sie ist die Schönste von allen.
Drei Tage in Venedig: Was tun?
San Michele, Lido di Venezia und Giudecca
Man kann einen Kurzurlaub in Venedig, wie in jeder Stadt, auf verschiedene Arten angehen. Da Dr. Dingens und ich schon beide öfter in Venedig waren, haben wir uns eigentlich für den ersten Tag ein festes Programm vorgenommen. Der Besuch der Friedhofsinsel San Michele in Kombination mit dem Lido di Venezia und der Insel Guidecca. Auf dem Weg zum Vaporetto sind wir zu Fuß durch das ehemals jüdische Ghetto gegangen und von dort zum Anleger. Das Boot bringt Touristen und Venezianer, die ihre Liebsten auf dem Friedhof besuchen in kurzer Zeit auf die Insel. Fotos habe aus Rücksicht keine gemacht, aber der Friedhof ist das Beeindruckendste, was ich in langer Zeit gesehen habe. So friedlich, ruhig und würdevoll. Von dieser Stille ging es für uns direkt zum Lido. Der Lido hat schöne breite Standstrände, aber leider fahren auch Autos. Nach den autofreien Straßen Venedigs für mich eine Zumutung. Denn in Venedig merkt man, wie erholsam eine Stadt ohne Autos ist und wie gut es für Körper und Seele ist, viel zu Fuss zu gehen. Von dort ging es nach Guidecca.
Die kleine Insel ist hauptsächlich ein Wohngebiet. Lediglich direkt am Wasser finden sich viele Restaurants und Bars, in denen mehrheitlich italienisch gesprochen wurde. Der Blick hinüber ist wunderbar, so kann man das Mittagessen geniessen. Eine wunderbare Überraschung war, dass eine weitere Freundin in Venedig war und wir trafen uns auf Guidecca. Die Reiseziele der Europäer sind in der Pandemie geschrumpft, man läuft sich hier und da über den Weg.
Ohne Plan und Ziel: Treiben lassen in Venedig
Die nächsten Tage verbrachten wir ohne einen richtigen Plan. Erholen, gut essen und spazieren gehen. Das war unser Plan. Morgens gab es einen Kaffe aus einer kleinen Bar um die Ecke, dann ging es zum Fischmarkt, zur Rialtobrücke oder auf den Markusplatz. In verschiedenen Blogs und Reisemagazinen habe ich Restaurants und Cafés ausgesucht.
Dr. Dingens zeigte mir auch viele nette Ecken, die mir vorher verborgen geblieben waren. So liessen wir uns einfach treiben und bummelten durch Geschäfte. Abends gingen wir sehr früh essen, was in Italien unüblich ist. So war es aber auch einfacher, einen Tisch zu bekommen. Denn auch wenn weniger Touristen in der Stadt waren als sonst, ganz alleine waren wir natürlich nicht.
Venedig: Eine große Liebe
Bei all meinen Reisen in die große, exotische Welt, vergesse ich oft, wie wunderschön es in Europa ist. Die Corona Pandemie hat mir das wieder ganz deutlich vor Augen geführt. Um einzigartig Reisen zu zu machen und Dinge zu sehen, die einem das Herz aufgehen lassen, muss man nicht um den halben Erdball jetten. Es reichen schon wenige Stunden Anreise im Auto. Venedig ist für mich eines der großen Wunder in Europa.
Eine Stadt wie keine andere. Ein exotischer Ort, an dem nichts so läuft, wie wir es kennen. Es beginnt mit den Wasserwegen. Alles, was transportiert werden muss wie Waren, Güter, Personen oder der Müll. All das wird auf Booten transportiert. Möbel, Kräne, Baumaterial. Bei uns kommt das große Postauto. In Venedig das Boot voller Pakete. Es ist faszinierend. Man legt die meisten Wege zu Fuss zurück, eine Wohltat für mich. Keine Öffis, keine Autos. Ständig in Bewegung sein, in einer Traumkulisse. Muss man doch mal weiter weg, fährt man über die pittoresken Kanäle mit dem Vaporetto.
Ich kann es kaum erwarten, bald wieder in diese Stadt zu fahren, die mir mein Herz gestohlen hat. Dieser Kurzurlaub hat meine von COVID ausgelaugten Batterien aufgetankt und ich zehre bis heute davon. Danke Dr. Dingens, danke Lieblings-Löserin, danke Venedig.
About the Author: Bettina Winert
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